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Kopfhoerer

Die VIP im Wandel der Zeit.

Früher war es einfach: Je dicker die Uhr, desto wichtiger der Mensch, an dessen Arm sie baumelte. Heute ist’s da schon schwerer, heute entscheiden verschiedenfarbige Armbändchen über den Status des Trägers. Kaufen kann man die Bändchen aber trotzdem, schließlich hat alles seinen Preis. Oder?

VIP – in den frühen Achtzigern kannte keiner die Bedeutung dieser drei Buchstaben. Damals gab es höchstens „Ehrengäste“, „hohen Besuch“ oder, in klerikalen Kreisen auch mal eine Privataudienz.
Ab Mitte der Achtziger, ungefähr ab Bobbeles Wimbeldon-Sieg wandelte sich der deutsche Sprach-Duktus und orientierte sich immer mehr an den im amerikanischen Sprachgebrauch üblichen Formulierungen. Dumm nur, der Ami spricht kein Deutsch, zumindest nicht nativ – ergo musste der Deustsche an sich lernen, was eine VIP genau ist. Nämlich eine „very important person“, eine sehr wichtige Person, die gerne die dumme Angewohnheit hat, auch als solche behandelt werden zu wollen. Und das hieß damals auch: Access All Areas! Eine VIP durfte überall hin, und wenn einer VIP in den Achtzigern einfiel, man müsse sich so ein Autorennen auch mal von direkt an der Strecke ansehen, oder im größten Rennstress die Boxen unsicher machen, dann wurde das vom Veranstalter möglich gemacht (Team-VIPs gab’s damals noch nicht, außer vielleicht dem Chef von’s Ganzen, dem Team-Besitzer…aber der war ja eh da und heulte dem Geld hinterher, das ihn das Wochende wieder kostete).

Seit den Neunzigern weiß auch der letzte Stadlparty-Veranstalter und Aprés-Ski-DJ, was ein „Wipp“ ist, und mit der wachsenden Bedeutung des „Sharholder Value“ lernten wir: Es heißt Wii-Ai-Piii.
Es war die Zeit, in der der Neue Markt die Frankfurter Börse aufrollte, die NEMAX-Liste im Börsenteil der SZ täglich länger wurde und sich plötzlich Firmen an der Börse zu finden waren, wo uns – zu recht – gefragt haben „Mit sowas kann man Geld verdienen?“. Damals war es schick, Aktien zu haben, man verabredete sich für die nächste Jahreshauptversammlung wie für einen Stammtisch. Kreti und Pleti waren plötzlich Miteigentümer zum Beispiel des vermeintlichen Branchenriesen T-Online – und somit VIP! VIP wurde plötzlich kaufbar! Und der Mobb war begeistert – einmal im Leben wichtig sein, einmal im Leben das machen, was bisher nur die Großkopferten durften.

Diesen Trend bemerkten auch alsbald die Event-Veranstalter und fingen an, VIP-Tickets in den öffentlichen Verkauf zu geben – und damit die eigentliche Bedeutung des Begriffs ad absurdum zu führen. Der VIP-Wahn gipfelte in den sogenannten VIP-Packages: Eine meist zweit- bis drittklassige Unterkunft, deren beste Tage mit der Ära Kohl ein Ende fanden und die sich seit dem mit Schnitzelwochen über Wasser zu halten versucht, dazu „VIP-Tickets“ (was ist so falsch an „Ehrenkarte“? Ach halt, Ehre, also Achtungswürdigkeit, kann man ja nicht kaufen, die muss man sich verdienen) mit einer Stunde Boxengassenzugang zum mal reinschnüffeln.
Warum kauft man sowas? Man wird dadurch nicht wichtiger – alleine die Anzahl der verkauften VIP-Packages macht das Individuum wieder nur zu dem, was es vorher schon war – eines unter vielen.

Ein paar – grob geschätzte – Zahlen: Für das MINI-Hospitality-Zelt („Verpflegungszelt“ klingt einfach zu sehr nach Bundeswehr EPa) in Oschersleben dürften so um die 700 VIP-Tickets über den Tresen gegangen – nicht mitgerechnet die angeblichen Journalisten, die sich mit dem Uralt-Schülerzeitungs-Presseausweis von der Realschule Großburgwedel eingeschlichen haben (ich glaube ja, die MINI Challenge und Sixt sind die einzigen Institutionen in Deutschland, die sich noch für Presseausweise interessieren) oder einfach irgendeine Nummer angegeben haben. 700 Menschen, die sich als VIP sehen durften – Plus: Rund 120, die meine rundfunkenden Kollegen von SAW eigenladen hatten im zweiten VIP-Bereich (war ein SAW-VIP eigentlich auch MINI-VIP? Und wer war mehr VIP?) – davon dürften rund 85% Hörer gewesen sein, die die Tickets in der Morningshow abgegriffen haben, weil sie sich dort 30 Sekunden lang am Telefon zum Affen gemacht haben.
Der Witz ist nur: Diese geschätzen 100 Hörer hatten durch ihren Radioauftritt mehr Ruhm und Ehr, als die restlichen 700 im MINI-Zelt, die wohl darauf hofften, sie würden mit dem teuren VIP-Ticket auch endlich ihre Warhol’schen fifteen minutes of fame kaufen. Doch stattdessen gabs nur was zu essen.

Denn VIP steht heute längst nicht mehr für einen Ehregast – VIP ist das Akronym für „Value Improving Practices“.

Der Hoerer –  bekennender D-Lebrity.

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Eine Antwort

  1. don headfon – you made my day 😀 der punkt auf dem i, der hammer auf dem kopf des nagels, das bist du! ich liege auf dem boden vor lachen – DANKE! "angeblichen Journalisten … Uralt-Schülerzeitungs-Presseausweis" ist dabei eigentlich nur ein highlight 3. klasse, aber eins mit insider-tiefgang. bitte mehr davon.

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