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Kopfhoerer

Mein Freund, der Tapir, ist tot.

Ja. Es ist tragisch, aber leider wahr. Der Tapir musste sterben, gemeuchelt von einer politisch korrekten Gesellschaft im Namen der political correctness. Dabei hat der Tapir nichts verbrochen, er hat nur seinen Job erledigt. Aber wahrscheinlich wurde genau das zu seinem Verhängnis. Er war wohl einfach doch „extreme enough“.

Ein Nachruf.

Marketing ist für viele Firmen ein wichtiger Aspekt. Für eine Firma ist es essentiell, dass die Produkte, die sie herstellt, auch verkauft werden. Logisch, sonst funktioniert das mit dem Umsatz irgendwie nicht so ganz. Und damit der Umsatz möglichst groß ausfällt, muss eine Firma möglichst viel von ihrem Produkt verkaufen. Das setzt allerdings voraus, dass das Produkt möglichst vielen Kunden gefällt.

Der Kunde an sich ist aber, zumindest in den Augen vieler Firmen, nichts weiter als ein sabbernder, retardierter Fleischklops, dem man erst noch erzählen muss, dass das Produkt ja eigentlich ganz toll ist und dass er ja eigentlich gar keine andere Möglichkeit hat, als dieses Produkt besitzen zu müssen. Weil er sonst keine/n Frau/Mann mehr abkriegt, der aktuelle Partner mit dem Postboten und der Hund mir der Nachbarskatze durchbrennt, aus dem Job gefeuert wird, dem Alkohol anheim fällt – kurz: im sozialen Abseits endet.

Kundennähe – oder: Ja, sie sind lästig, aber sie haben, was wir wollen.

Diese knifflige Aufgabe, die Begehrlichkeit des Produktes wecken, fällt in einer Firma für gewöhnlich den Abteilungen zu, die im weiteren Sinne mit der Öffentlichkeitsarbeit betraut sind, also Werbung, Marketing, Pressestellen und ähnliches. Diese Überhangmandate eines produktiven Betriebs stehen allerdings vor einem Problem: Der Kunde ist nämlich, außer dem oben erwähnten, auch noch misstrauisch. Vor allem gegenüber einem Menschen, der auf der Gehaltsliste einer Firma steht und versucht, ihnen was zu verkaufen. Das ist nämlich „keiner von uns“.
Die gewieften Öffentlichkeitsarbeiter müssen also das Vertrauen der Kunden gewinnen. Dazu müssen sie wissen, wie so ein „Kunde“ eigentlich tickt, in seinen Kopf gucken können („Da kann’s ja nicht viel zu gucken geben“), seine Sprache sprechen. Und, vor allem, ein Gefühl für seine Bedürfnisse und derzeit vorherrschende innen- und außenpolitische Meinung haben. Weil letzteres ja zur Gänze Gegenstand gesellschaftlicher Verabredung ist, kann man die einfache Regel „Kennt man eine, kennt man alle!“ anwenden. Die „eine“ findet übrigens oft eine andere Spezies Mensch heraus, der „Meinungsforscher“ – aber das ist eine andere Geschichte.

Wankelmut, dein Name sei Kunde.

Die „eine“ kann sich von einem Moment auf den anderen ändern. Ist die Firma nicht am Puls der Zeit wird schnell mal „am Markt (= Summe aller Kunden, anm. d. Red.) vorbei entwickelt“. Die Umsätze brechen ein, die Firma geht pleite, die Öffentlichkeitsarbeiter verlieren ihre Jobs, kriegen keine/n Frau/Mann mehr ab, der aktuelle Partner brennt mit dem Postboten und der Hund mir der Nachbarskatze durch, und sie fallen dem Alkohol anheim. Schrecklich.
Kein Wunder, dass die Öffentlichkeitsarbeiter extrem – EX-TRE-M – empfindlich auf alles reagieren, was das äußerst sensible Verhältnis zwischen Firma und Kunde gefährden könnte. Das führt teilweise zu völlig absurden Situationen. In blindem und vorauseilendem Gehorsam gegenüber der öffentlichen Meinung werden Konzepte über den Haufen geworfen, die in Öffentlichkeitsarbeiterkreisen als nicht-öffentliche-Meinungs-konform gelten.
Das ideale Produkt hat keine Ecken und Kanten, denn an denen könnte sich der Kunde ja stoßen, und da reicht es schon, wenn sich nur *ein* Kunde an einer Ecke oder Kante stößt – schließlich haben die Kunden ja alle die gleiche Meinung. Sagt der Meinungsforscher. Der hat immer recht. Immer.

Political Correctness und über was wir hinter vorgehaltener Hand sonst so lachen.

Das Problem an der öffentlichen Meinung ist genau das – sie ist öffentlich. Sie darf niemandem weh tun. Davon sind wir, die Kunden, mittlerweile völlig besessen. Die Firmen, und auch andere Einrichtungen, haben entsprechend reagiert und so wurde aus dem „Negerkuß“ der „Schokokuß“, die „Stewardess“ wurde zur „Flugbegleiterin“, die „Aktion Sorgenkind“ wurde zur „Aktion Mensch“ und kürzlich forderte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen in Bremerhaven tatsächlich weibliche Piktogramme für Ampeln und Straßenschilder.
Die gesellschaftliche Verabredung verbietet uns in gewisser Weise, diesem Wahn Einhalt zu gebieten. Schließlich sind wir ein Volk der Dichter und Denker, wir sind zivilisiert, jawoll!
Fakt ist aber, alles, was Schiller und Goethe hier aufgebaut haben, hat Gina Wild mit ihrem Arsch wieder eingerissen. In der öffentlichen Meinung mag Schillers „Glocke“ sicher hoch angesehen sein. Sicher ist aber, dass „Teeny Exzesse 59 – Kerle, Fötzchen, Sensationen“ in den letzten fünf Jahren ein höheres DVDboxoffice generiert hat, als Franz Hofers Schiller-Verfilmung von 1917.
Diese Bigotterie verwirrt den armen Meinungsforscher, er kommt zu keinem realen Ergebnis und liefert eine dezente Fehleinschätzung an seinen Auftraggeber, den Öffentlichkeitsarbeiter. Der wiederum versucht jetzt mit dem Kunden auf Basis dieser Fehleinschätzung politically aber so what from correct zu kommunizieren. Was dabei ‚rum kommt, kann man im offiziellen Pressetext zum MINI One 55Kw lesen.
Von einer „Optimierung der Effizienzwerte“ ist da die Rede, überhaupt kommt das Wort „Effizienz“ unglaublich oft in diesem Text vor. Scheint ein wirklich effizientes Auto zu sein, auch wenn die wanderdühnenähnlichen Fahrleistungen etwas völlig anderes vermuten lassen.
Ausgerechnet einem MINI, einem der emotionalsten Fahrzeuge auf dem Markt, wird hier von einem Öffentlichkeitsarbeiter der „Blaue Engel“ auf die Motorhaube gestempelt. Denn Umweltschutz ist ja jetzt Zeitgeist, der CO2-Ausstoß und der Verbrauch entscheidende Kriterien beim Neukauf eines Automobils.
Mal ehrlich: Kein Mensch kauft einen MINI, weil der kleine Brite ach so umweltfreundlich ist – der Wagen wird gekauft, weil er ein MINI ist. Es gibt wesentlich – obacht – effizientere und umweltfreundlichere Autos in der gleichen Preisklasse, denen aber ein ganz entscheidender Faktor fehlt: Das Image. MINI-Fahrer sind junge, dynamische Querdenker, die das Leben genießen und Spaß daran haben. So ist es in unseren Köpfen.

Es ist nur in deinem Kopf.

Wie kam MINI zu diesem Image? Zum einen sicher durch das Elternhaus. Der Classic-Mini war schon immer ein hippes Automobil. Den Rest haben die Öffentlichkeitsarbeiter übernommen, und was diese Leute leisten können, wenn man sie mal einfach von der Leine lässt, sie sich jenseits von Dogmen und öffentlicher Meinung austoben dürfen, das hat man an vielen MINI-Kampangen gesehen: Ein Spot, in dem ein MINI-Fahrer mit seinem Kumpel im Auto „Fliegen ausweichen“ spielt, dazu dauernd Kurven fährt, wäre heute wohl nicht mehr ganz schlüssig. Die gleiche Straße einfach gerade zu fahren wäre schließlich effizienter. Ein Clubman-Spot, in dem eine andere Fliege von seinen Fliegen-Kumpels beerdigt wird nach dem er an der Scheibe eines MINI zerschellt ist, würde heute sofort die Alarmglocken der Öffentlichkeitsarbeiter schellen lassen – das könnte ja den „Verein der Fliegenfreunde Wanne-Eickel e.V.“ auf den Plan rufen.
Stattdessen werden 3 Typen mit Videokameras in einem MINI Cabrio durch eine Waschstrasse gescheucht und auf die Frage, warum der Beifahrer die Kamera immer auf den (verpackten) Dödel des Hinten sitzenden hält, wird man angeschaut, als hätte man eben bischofsgleich den Holocaust in Zweifel gezogen.
„So was können wir nicht bringen…“, heißt es da gerne Mal. Einen kleinen Asiaten, der einem Tapir seine Faust in den Allerwertesten rammt konnten sie noch bringen.

Bis einer jenseits des Teiches kalte Füße bekam, vermutlich nach einem bösen Brief der „Tapir Troups of Tallahassee“.

Das war der Moment, in dem der Tapir sterben musste.

Aber manchmal flackert das alte Feuer noch auf – neulich war in der örtlichen Lokalzeitung ein Foto abgedruckt. Darauf zu sehen war ein MINI Cooper, der verkehrt herum unter einer Verbindungsbrücke zwischen zwei Gebäuden eines großen, bayrischen Automobilherstellers aufgehängt war. Darüber ein Transparent – in großen, MINI-typischen  Lettern stand dort geschrieben: „Frauenparkplatz.“
Politically incorrect, indeed – die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozial-demokratischer Frauen in Bremerhaven würde den Verantwortlichen wohl pfählen.

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3 Antworten

  1. Quote:
    … Mal ehrlich: Kein Mensch kauft einen MINI, weil der kleine Brite ach so umweltfreundlich ist …

    Korrektur bitte!

    FAST Kein Mensch kauft einen MINI, weil der kleine Brite ach so umweltfreundlich ist …

    60.000km und ein Verbrauch von 4.25 l/100km mit ein Cooper Clubman D, und das ohne den Reifen zu schonen…. (vor dem Winter war ich sogar bei 4.12 l/100km)

    Ich habe sehr bewusst ein potentielles Sparmobil gekauft, und nütze der Mini auch als solches 😀
    [url] http://www.spritmonitor.de/de/detailansicht/249062.html [/url]

    Aber zugegebenermaße wurde mir den Umstieg in ein Fabia Greenline oder BMW 1er NICHT reizen 😀

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