Die stolze Dame wird in diesem Jahr 90! Die Rede ist vom 24 Stunden Rennen in Le Mans und Dank des Reifenherstellers Michelin hatte ich die einmalige Gelegenheit, an dieser riesigen Party rund um den 13,9km langen Kurs teilzunehmen. Doch 2013 ist nicht mein erster Besuch dieses Langstreckenklassikers. Unfassbare 24 Jahre liegt es zurück, dass ich dieses Rennen besucht habe: 1989, das Jahr, in dem sich Mercedes-Benz offiziell im internationalen Motorsport zurückmeldete und die Gruppe C auf dem Weg war, der Formel 1 den Rang abzulaufen. Ein kleiner und ganz persönlicher Rückblick auf ein unvergessliches Wochenende.
„Ich habe alles geklärt, ihr bekommt Karten von Mercedes Motorsport“ Christian und ich standen sprachlos vor Freude vor meinem Vater, als er diesen Satz sagte. Ein Traum wurde wahr, wir fahren nach Le Mans. Es war Ende Mai, das Abi war bestanden, der Sommer schien warm zu werden und Christian war mein bester Schulfreund. Schnell war auch ein Auto gefunden, um die 850km in Frankreichs Nordwesten zurückzulegen: Ein brauner Golf II von Christians Mutter. Der hatte zwar überhaupt keine Ausstattung, aber sagenhaften 90PS. Wir fühlten uns mit dieser Motorisierung, wie die Könige der Straße. Und da Könige nicht groß planen müssen, wurden so Themen, wie Körperpflege, Schlafplatz oder Nahrungsaufnahme großzügig vernachlässigt. Ok, wir hatten Schlafsäcke dabei und eine tolle Kameraausrüstung, sowie einen von unseren Müttern zusammengestellten Korb voller Lebensmittel und irgendwie hatten wir auch etwas Bargeld in den Taschen, um tanken zu können. Das war es dann aber auch.
Hallo Le Mans, wir sind da, es kann losgehen!
Für uns war wichtiger, wann wir gen Westen starten. Wir einigten uns auf Freitag späten Nachmittag und fuhren unbeschwert in die Abenddämmerung. Irgendwann gegen 23:00h und rund zwei Stunden von unserem Zielort entfernt, rollten wir müde auf einen unbeleuchteten Parkplatz entlang der Autobahn, um zwischen ein paar Lkws in unserem Golf das Nachtlager aufzuschlagen. Sitze in Liegeposition drehen, Fenster einen Spalt öffnen, Knöpfchen zum Verriegeln drücken, Cowboystiefel ausziehen (ja, es war die Zeit, in der man so etwas unbedingt tragen musste) und in den Schlafsack krabbeln. Aber an Schlaf war eigentlich nicht zu denken. Wir waren viel zu aufgeregt und viel zu besorgt, dass unser Nachtquartier aufgebrochen werden könnte oder wir verschlafen würden. Doch weder wurden wir aus unserem Golf geklaut, noch haben wir verschlafen.
Natürlich war uns überhaupt nicht bewusst, was uns in Le Mans erwarten würde und wir konnten auch nicht abschätzen, wohin uns die Mercedes Karten führen würden. Erst als wir mit unserem Parkticket von grimmig dreinschauendem Security Personal immer weiter ins Herz des Veranstaltungsgeländes dirigiert wurden, dämmerte uns: Das sind keine normalen Tickets. Am Ende kamen wir mit unserem schmucklosen Golf zwischen etlichen englischen Nobelkarossen und einigen gepanzerten Mercedes Vorstands S-Klassen zum stehen. Wir waren irritiert, doch schnell wandelte sich unsere Verunsicherung in pure Begeisterung: Hallo Le Mans, wir sind da, es kann losgehen!
Erhebender Augenblick: Der fliegende Start in Le Mans
Und das tat es natürlich auch pünktlich um 15:00h mit viel Gänsehaut. Denn wenn 55 Sportportotypen mit den unterschiedlichsten Motorenkonzepten beim Fallen der Startflagge geschlossen das Lied der 24h anstimmen, dann ist das ein unglaublich erhebender Moment und der Hall dieser süsslich schmerzlichen Melodie hallte in den damals noch enger und deutlich niedriger gebauten Boxenanlage noch lange nach.
Speziell der Mazda 767 brüllte mit seinem vier Scheiben Wankelmotor einen Trommelfell zerreißenden Nähmaschinensound in die Wälder rund um Le Mans. Das hiess es natürlich genauer zu inspizieren und daher kämpften wir uns verbotenerweise an zahlreichen Flics vorbei durch das Unterholz an die legendäre Hunaudières Gerade. Doch ziemlich schnell wurde uns klar: Das ausgewiesene Zuschauerverbot für diesen Streckenabschnitt hat durchaus eine Berechtigung, denn kaum hatten wir den Blick auf den Hochgeschwindigkeitsabschnitt erreicht, flog in hohem Bogen das Hinterrad eines weidwunden Porsche 956 an uns vorbei.
Tinnitus Monster: Der Mazda 767
Nichtsdestotrotz waren wir vom Tempo der vorbeihuschenden Boliden berauscht und traten nur wegen der einbrechenden Dunkelheit unseren beschwerlichen Rückweg an. Ziel: Der legendäre Dunlop Bogen hinter der ersten Schikane nach Start-Ziel. Leider klingt es fast, wie „früher war alles besser“, doch wenn man heute die hohen Sicherheitszäune und die provokant große Audi Hospitality an diesem Streckenabschnitt sieht, kann man sich kaum vorstellen, dass Christian und ich damals an selber Stelle auf das Dach einer verlassenen Hütte kletterten, um Photos zu machen.
Titelverteidiger Jaguar muss sich der Mercedes Power geschlagen geben
Mit zahllosen Kilometern Fußmarsch in den Knochen fielen wir weit nach Mitternacht in unser zweitüriges Reisemobil, hörten noch etwas Radio Le Mans, um dann eingelullt vom rhythmischen Motorensound der Rennwagen selig einzuschlafen. Das angepeilte Ziel, den Sonnenaufgang im Bereich der Porsche Kurven zu erleben, haben wir somit genauso verschlafen, wie die Entscheidung im Kampf zwischen den Favoriten Jaguar und Mercedes in den frühen Morgenstunden. Um 15 Uhr, am 11. Juni 1989 war es nämlich dann soweit: Sauber-Mercedes feierte mit den Plätzen 1, 2 und 5 eine beeindruckende Rückkehr der Silberpfeile nach Le Mans. Mittendrin bei der Siegerehrung auch Christian und ich. Gänsehaut. Auch heute noch, nach 24 Jahren.
Das erste 24h Rennen vergisst man nie
Unzählige Anekdoten haben sich tief in mein Gedächtnis gebrannt und sind auch nach dieser langen Zeit unglaublich präsent. Die Naivität, mit der wir damals diesen Trip angegangen sind, lässt mich heute schmunzeln. Es war herrlich und wir sind nach der dritten Nacht im Auto – diesmal direkt unter dem Eifelturm – auch gesund wieder zu Hause angekommen.