Früher war alles besser? Bestimmt nicht! Aber als sich die MINI Community 2001 rund um den Neustart der Marke formierte, war alles noch deutlich überschaubarerer. Die neueste Errungenschaft hieß damals „Internetforum“ und aus dem Ursumpf einer abfällig „Plüschforum“ genannten Plattform (manch einer erinnert sich noch) etablierten sich zwei große Foren. Streitereien und Abspaltungen führten zwar auch dort schon über die Jahre zu einer leichten Unübersichtlichkeit, doch das ist alles nichts, im Vergleich zu dem, was sich 15 Jahre nach dem Marktstart des R50 entwickelt hat. Social Media ist der Oberbegriff und Facebook seine bekannteste Ausprägung. Abseits aller erhobenen Zeigefinger bezüglich Zuckerbergs Goldgrube ist Facebook vor allen Dingen eins: Segen und Fluch zugleich. Aber wie lange noch?
Foren, das sind diese wunderbare Mikrokosmen und gleichzeitig komprimierte Abziehbilder unserer Gesellschaft. Arm, reich, schlau, dumm, hübsch, hässlich, alle sind sie hier unterwegs. Einziger gemeinsamer Nenner: die Liebe zum Thema des Forums (in diesem Fall also zur Marke MINI). Man beschwört das demokratische Prinzip und die Gleichheit aller registrierten Teilnehmer, doch die Erfahrung zeigte schon vielen Forenbetreibern: nur mit einer teilweise diktatorisch agierenden Führungsriege kann man den tobenden Mob ein wenig in den Griff bekommen. Dazu gehören dann eben auch unpopuläre Entscheidungen und drakonische Strafen (Höchststrafe: die Verbannung), denn manch ein User trumpft erst online so richtig groß auf, da er versteckt hinter seinem Pseudonym (aka Nickname) und beschützt vom eigenen Bildschirm sein (Halb-)Wissen oder seine Parolen hinausposaunen kann. Das alles ist natürlich ein wunderbarer Nährboden für: Revolution! Vive la Forenabspaltung in eine neue, viel bessere, viel demokratischerer Plattform, bis auch hier wieder die kritische Usergrenze (inklusive der mitgereisten Foren Trolle) erreicht wird. Eine endlose Spirale also?
MINI und Facebook. Das funktioniert häufig nur eingeschränkt.
Nein, denn dann, am Ende der ersten Dekade des neuen Jahrtausends, tauchten die ersten öffentlichen und geschlossenen Gruppen auf Facebook auf. Endlich freie Meinungsäußerung. Endlich keine missmutigen Administratoren mehr, endlich keine geltungssüchtigen Moderatoren. Doch leider haben die Gruppengründer die Rechnung ohne ihre angelockten Nutzer gemacht. Dass eine freundliche Dame allen Gruppenmitgliedern gerne ihre freizügigen Bilder zusenden möchte ist dabei genau so wenig das Problem, wie der unbekannte Herr, der ständig alle iPhone Varianten zu aberwitzig günstigen Dollarkursen anbietet. Nein, das Problem liegt ganz wo anders: In der Einfachheit der Interaktion, denn auf Facebook ist man ja sowieso schon registriert und Dank eines Smartphones und günstiger Datentarife kann man sich von allen noch so entlegenen Ecken dieses Planeten mitteilen. Und das bekommt auch wirklich jeder hin. Leider. Denn in vielen Gruppen (leider auch etlichen MINI Gruppen) regiert die galoppierende Dummheit. Die Regel „vor dem texten Gehirn einschalten“ ist schon lange ausser Kraft gesetzt. Und wenisgtens einmal den Bildausschnitt betrachten, bevor man auf den Auslöser drückt und den verwackelten unterbelichteten Schrott hochlädt, ist völlig überbewertet. Das Ergebnis: Postings des Grauens!
Der eine postet einen kruden Bildausschnitt seines MINIs, weil er „nur mal Hallo sagen“ wollte. Der andere stellt das Bild einer gelb leuchtenden Kontrolllampe im Cockpit online und fragt besorgt: „Was bedeutet das? Kann ich noch weiterfahren? Helft mir schnell!“ Mein Tipp: ja nicht darauf antworten, denn erstens ist eine ernstgemeinte Antwort wie „schau doch mal im Bordhandbuch nach“ völlig unerwünscht und die richtige Antwort „das ist die Motorkontrollleuchte, fahr lieber zum Händler“ nicht zielführend, da vor lauter „ach der arme MINI, hoffentlich ist es nichts schlimmes.“ oder „was ist das für eine Modell?“ alle sinnvollen Informationen mit steigender Zahl der Antworten sekundenschnell im Facebook Datengrab verschwinden. Auch werden deutliche und ehrliche Antworten nicht gerne gelesen, da sich irgendein Gutmensch immer aufschwingt, um den mahnenen Zeigefinger zu erheben: „das kannst Du doch in der Deutlichkeit nicht schreiben, vielleicht ist der Starter dieses Themenstrangs derzeit in einer schwierigen Phase.“ Oh ja, ich vergaß, political correctness muss sein. Lieber bewerfen wir uns mit Wattebäuschchen, als die unverblümte Wahrheit zu sagen: Du bist einfach zu dumm, um Dir die einfachsten Fragen selber zu beantworten!
Social Media für Anfänger
Die Frage ist nur: wo geht die Reise hin? Facebook Gruppen (besonders, wenn sie nicht den „Geschlossen“ Status haben) sind ab einer gewissen Userzahl nicht zielführend für einen produktiven Informationsaustausch. Facebook Seiten dagegen haben meist nur einen unterhaltenden Aspekt für die Fans bzw. Follower. Interaktion ist meist nur mit einem „Call for Action“ provozierbar und gleiten häufig in ein reines Personen tagging ab. Detailierte textliche Informationen oder Videoclips werden dagegen kaum geschätzt. Beides ist beim schnellen Social Media Konsum nur hinderlich und die meisten Fans geben nur anstandshalber gelangweilt ein Like, um dann weiterzuziehen. Und die gute alte Forenwelt? Überraschenderweise sind diese Plattformen in der Zwischenzeit eine angenehme Konstante im Online Bereich. Gereift und professionalisiert läuft dort alles meist sehr viel ruhiger, koordinierter und überschaubarer ab und Dank einer Suchfunktion findet man auch zu ausgefallenen Themen nach Jahren noch Antworten. Man muss sich jedoch durchringen, anzumelden und sollte aus der passiven Rolle des bequemen Konsumenten auch aktiv zum Wohle der Community beitragen.
Es bleibt also weiterhin spannend bis schwierig und eine Antwort auf die eingangs gestellte Frage kann auch ich leider nicht liefern. Salomonisch könnte ich schreiben, dass es auf die gesunde Mischung der einzelnen Kanäle und Plattformen ankommt. Doch was ist „gesund“? Das Internet ist und bleibt ein perfider Zeitfresser. Und genau darum versuche ich weiterhin, den schmalen Grat für mich zu gehen, ohne zu viel Zeit Invest, zu beobachten, wohin die Social Media und MINI Community Reise geht. Wir lesen uns also.
2 Antworten
Sehr feiner Artikel. Danke Axel. ICH finde, Foren haben nicht nur eine Daseinsberechtigung, sie sind darüber hinaus die EINZIGE Möglichkeit, sich über spezielle Themen auszutauschen und einen Erfahrungsschatz für später aufzubauen! Wobei es tatsächlich ganz egal ist, ob es um Autos, stofftiere oder den Hausbau geht.