Ich liebe meine Freunde von der journalistischen Profizunft. Sie glänzen mit grenzenlosem Detailwissen und lassen sich niemals als verlängerter Arm des Marketings instrumentalisieren. Den Beweis dafür liefert ein Bericht einer Automobilzeitschrift ab, die sich selber gerne als das „internationale Meinungsbarometer“ schlechthin sieht, auto motor und sport (kurz ams). In diesem Fall das online Portal www.auto-motor-und-sport.de mit dem Bericht: Mini JCW: Härte-Fest.
Woher meine Zuneigung stammt? Nun, wenn man den als Tracktest deklarierten Bericht als bloggender MINI Afficionado liest, kommt unweigerlich in einem die Frage auf, ob sich der Verfasser dieses Textes jemals mit der Marke, dem Produkt oder der Rennserie intensiv auseinandergesetzt hat. Ganz im Sinne des auf die eigenen Fahnen geschriebenen kritischen Journalismus. Denn die Fehler, Fehlinformationen oder Falschaussagen ziehen sich durch den kompletten Artikel. Doch ich fange vorne an:
1.) Die Markenkommunikation hat versagt!
Seit der Markteinführung im Jahre 2001 kämpft der Bereich der Markenkommunikation gebetsmühlengleich dafür, dass der Markenname groß geschrieben wird, also MINI nicht Mini, wie es ams (übrigens immer nur klein geschrieben) durchgängig macht. Ist das denn so schwierig? Schließlich schafft es ams am selben Tag auch fehlerlos einen der größten Designer Europas auszuschreiben: Giugiaro. Wobei, ich vermute, dass mindestens 70% der Redaktionsmitglieder nicht wissen, wie sie den Familiennamen fehlerfrei aussprechen sollen. Hier eine kostenlose Hilfe in Lautschrift: „Dschudschahro“, comprende?
2.) Das MINI Marketing funktioniert!
Wer schreibt, dass dank zahlreicher Besuche im Windkanal aus dem „Lifestyle-Poser“ ein „sportlicher Renner“ geworden ist, hat sich anscheinend noch nie mit einem Fahrer oder Teammechaniker der MINI Challenge unterhalten, sondern nur auf die Pressetexte der Marketingabteilung verlassen. Wie gut, dass bigblogg in der Zwischenzeit von mehreren Challenge Teams aufgezeigt bekommen hat, wie es wirklich um die Aerodynamik des Challenge MINI steht: Viel Wind um nichts!
3.) Zwischen Serienausstattung, Sonderausstattung und Zubehör ist zu unterscheiden!
Wer in Lesern mit überdurchschnittliches Einkommens- und Bildungsniveau seine Zielgruppe sieht, sollte schon sehr genau recherchieren, über was man schreibt, oder wie sonst ist der Lapsus zu erklären, dass geschrieben wird, in der MINI JCW Straßenversion wären zwei Schalensitze verbaut? Schön wäre es, aber leider kostet ein päärchen JCW Sportsitze (egal ob Vollleder oder Alcantara/Leder) aus dem Zubehörprogramm 2.600 Euro inklusive Einbau und die serienmäßig verbauten Sportsitze mit Schalensitzen gleichzusetzen, ist fast so vermessen, wie zu behaupten, ein MINI ONE wäre ein Drehmomentmonster.
4.) Die Produktinformationen werden nicht gelesen!
Ich vermute, das MINI viel Geld investiert, um die automobilen Premiumjournalisten mit Hochglanz Produktinformationen zuzuschütten. Ohne Erfolg – zumindest bei ams! Wie sonst kann ein mit „kritischen Analysen“ befassender Journalist schreiben, das Challenge MINI und Straßen JCW die gleichen Differentialsperren verbaut haben? Das ist schlichtweg falsch. Denn während in der Rennversion ein mechanisches Sperrdifferential vergeblich für kontinuierlichen Grip an den Antriebsrädern sorgen soll, verlässt sich der straßentaugliche MINI John Cooper Works erstmalig auf die Elektronik Namens EDLC (Electronic Differential Lock Control)
Bin ich zu kritisch? Bin ich zu detailverliebt? Bin ich zu böse? Vielleicht, aber wenn ein Verlag von sich behauptet, dass ihr Produkt auto motor und sport der Meinungsführer unter Deutschlands Autozeitschriften sei, muss er diesen Anspruch auch täglich in der Berichterstattung beweisen. In diesem Fall hat das definitiv nicht geklappt.
2 Antworten
Liebster Agsl,
Du wagst es, die heilige Kuh aus dem journalistischen Elitestall der Motorpresse anzugreifen? Welch Frevel! Dabei wissen wir doch: Was die "ams" schreibt, stimmt! Und sie schrieben, die Sessel des [b]Mini[/b] seinen "Schalensitze", dann sind es "Schalensitze" – ein bißchen mehr Fantasie, Herr Agsl!
Außerdem möchte ich den Verfasser dieses Artikels, Christian Gebhardt, in Schutz nehmen: Wer es schafft, so ein synonymales Bullshit-Bingo abzufeuern, dass es selbst den Redakteuren des RTLII-Automobil (slash) Lifestyle-Formats "Grip" die Schamesröte ins Gesicht treiben ("Bevor der Sportsmann über die Flaniermeilen stolziert, absolvieren zahlreiche Serienbauteile im Renntempo den finalen Härte-Check vor der Markteinführung."), der kann sich nun mal nicht mit solchen Nebensächlichkeiten wie Fakten (völlig überschätzt!) und Wahrheit (tut bloß weh!) abgeben – wo kämen wir denn da hin?
Wenn jeder so schreiben würde, wie Du es forderst – mit Herz und Leidenschaft, mit Liebe zur Materie und zur Sprache – dann wäre es nicht mehr die automobile Kernkompetenz "ams", dann wäre es die "autorevue".