Noch ist die Frage nicht geklärt, ob der Countryman würdig ist, in Walhalla Einzug zu halten. Mag das Karosseriekonzept des ersten MINIs mit mehr als vier Metern Aussenlänge noch überzeugen, konnte der Antrieb des Cooper Automatik im ersten Teil des Tests nicht befriedigen. Auf den zurückgelegten 640 Kilometern spürte man dem R60 förmlich an, er will mehr, er kann mehr. Wie viel mehr soll ein zweiter Test beweisen. Mit einem MINI Countryman Cooper S ALL4.
Überrascht durch akzeptablen Verbrauch trotz Allrad: Die Cooper S Variante des Countryman
Sperriger Name für ein nicht wirklich sperriges Fahrzeug. Bullig kommt es daher, das aktuelle Topmodell. Schwarz aussen, braun innen und mit allem ausgestattet, was gut und teuer ist. Auch mit dem neuen Festplatten Navigationssystem. Optisch im Vergleich zum Vorgänger durch die geänderte Farbgebung etwas gewöhnungsbedürftig, jedoch in Menüführung und Tempo der Routenberechnung deutlich verbessert. Und wo führt die Route hin? Auf die nächstgelegene unbeschränkte Autobahn, denn eins spürt man vom Start weg. Das Alphatierchen der Countryman Baureihe ist definitiv nicht untermotorisiert. Der 184ps Motor ist ein guter Bekannter, der auch mit dem knapp 1,5 Tonnen schweren Allradler kaum Mühe hat. Nur akustisch darf sich der aufgeladene Direkteinspritzer nicht wirklich entfalten. Eher brummig, als sportlich sonor gibt sich der Cooper S im Innenraum. Dafür bleiben im Gegenzug aber auch die Insassen bei höheren Tempi von Windgeräuschen verschont.
Autobahn kann er also, der Countryman, aber wie sieht es im MINI eigenen Revier aus, der Landstrasse? Also runter von der Autobahn, Mitfahrer raus und auf geht’s zum Kurvenwetzen. Und siehe da: Der Allradantrieb, den man im Langsamfahrbetrieb durchaus ein wenig mahlen hört und spürt, kann seinen Traktionsvorteil voll ausspielen. Kein zerren in der Lenkung beim herausbeschleunigen aus Spitzkehren und natürlich auch keine übermäßigen Untersteuertendenzen. Der Cooper S ALL4 ein agiler Kurvenkünstler?
Weiter nach dem Klick…Nein, nicht ganz, denn die 18″ Räder mit Runflat Reifen sind poltrig und geben wenig Feedback. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Lenkung. Eine zu beobachtende Entwicklung, die bedauerlich ist. Kam der MINI R50/R53 mit seiner elektrohydraulischen Servolenkung noch verdammt nah an das Go-Kart Feeling des Classic Minis heran, so fühlt sich die elektromechanische Servolenkung des R56 schon deutlich synthetischer an. Dieses Gefühl hat sich im R60 noch verstärkt. Es fehlt die Präzision und der Fahrer fühlt sich phasenweise seltsam entkoppelt vom Fahrgeschehen. Ein Effekt, der speziell bei leichten Korrekturen während der Geradeausfahrt für Überraschungen sorgen kann. Ein korrigierender Lenkimpuls wird nur verzögert umgesetzt um kommt damit – je nach Fahrsituation – etwas zu spät. Das ist nicht gefährlich aber unangenehm und außerdem erwartet man von eine MINI einfach etwas anderes: Direktheit und Spontanität.
Macht auch deppert geparkt eine gute Figur: Der Countryman in komplett schwarz
Trotz dieser Kritik muss man dem Countryman jedoch attestieren, dass er sich durchaus zügig bewegen lässt und mehr Fahrdynamik an den Tag legt, als die Qashqais, Jukes, Yetis und Tiguans dieser Fahrzeuggattung. Es kommt sogar so etwas wie Fahrspass auf und das überrascht bei schwerpunktunfreundlichen 1,56 Meter Fahrzeughöhe durchaus. In Kombination mit einem feinfühlig reagierendem DSC und standfesten Bremsen lässt dieses Sports Activity Vehicle manchen ambitionierten Landstraßenfeger verwundert die Augen reiben. Die Betonung liegt bei diesem MINI eben doch auch auf „Sports“. Und selbst der Verbrauch spielt diesmal mit. Ohne eine präzise Verbrauchsfahrt zu machen und ohne Gefummel am Bordcomputer, dafür mit um so mehr Schwere im Gassfuss, blieb dieser Countryman unter 10 Liter im Mix aus einem kurzen Autobahnsprint, gemächlichen Landstrassen cruisen und ausgiebiger verschärfter Kurvenhatz.
Nachts sind alle MINIs schwarz? Nicht ganz…
Und das Fazit? Der Countryman ist ein tolles Auto. Er fährt sich angenehm, er hat Platz, ist optisch eigenständig, gut verarbeitet, hebt sich von der Masse ab und kann mit der richtigen Motorisierung sogar sportlich ambitioniert bewegt werden. Zusätzlichen pflegt er sogar ein paar MINI typische Schrulligkeiten, wie den pizzagroßen Zentraltacho, die an manchen Stellen nicht wirklich premiumwürdige Materialanmutung im Innenraum und die für Neueinsteiger ungewohnten Kipphebel in Mittelkonsole, Dachhimmel und hinteren Türen. Aber Mini im klassischen Sinne ist das nicht mehr, sondern nur noch MINI. Also eine Marke, die aus dem Retroansatz heraus versucht, eine nachhaltige Produktpalette mit Zukunft zu etablieren. Ein schwieriges Unterfangen, doch es scheint zu gelingen. Womöglich ist gerade dieser MINI Countryman für den Weltmarkt das richtige Fahrzeug zum richtigen Zeitpunkt und für die eigene Stammtafel das richtige Auto, um sich von seinem Urahn zu emanzipieren. Zeit und Zulassungszahlen werden es beweisen, aber nach Walhalla schafft es dieser MINI nicht.
P.S.: An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Anne-Cathrin Drewes von der MINI Niederlassung Stuttgart für das Gottvertrauen, mir gleich zweimal einen MINI Countryman auszuhändigen.
5 Antworten
DANKE ÄX!
Puh, da bin ich ja beruhigt, dass der zweite Teil der Wallhalla-Fahrt mit einem deutlich positiveren Fazit endet…
Deiner Analyse stimme ich insoweit zu, dass m.E. nur eine Säule (Retro) langfristig für eine Marke kaum funktionieren kann. Die Reaktionen in vielen Foren auf die schrittweise Neupositionierung von MINI läuft meist nach dem gleichen Schema ab:
zunächst brüske Ablehnung, bevor überhaupt reale Bilder verfügbar sind (wie 2001 durch die Mini-Hardcorefans). So war\’s beim R56, kurz darauf beim R55 (\"ist ja kein MINI mehr\") und besonders im Vorfeld der Markteinführung des R60 und aktuell zeichnet sich ähnliches anhand erster Illustrationen des Spacebox-Concepts ab. Diese breite Front bröckelt in relativ überschaubarer Zeit (\"gar nicht so schlimm\") wandelt sich in Akzeptanz und schliesslich Adoption im Kreis der lieben Familie (\"Zwar sch…teuer, aber hab ihn bestellt\").
Klar, ein paar Stalinisten kann (sollte?) man ruhig verlieren, sofern gleichzeitig neue Zielgruppen hinzugewonnen werden, um das Ziel kritische Masse (Eigenständigkeit z.B. durch eigene Entwicklungskapazitäten)erreicht werden will.
Wichtig dabei: den Kern der Marke nicht zu verwässern. Hier gehen die Meinungen weit auseinander. Die Frage ist doch, was diesen \"Kern\" ausmacht? Versteht man darunter geringe Grösse an sich oder ist es doch ein wenig komplexer? Handlichkeit, Fahrspass, Unkonventionalität, Chic. Wenn man dies auf andere als die ursprüngliche Fahrzeugklasse überträgt, zeigt sich, dass auch der Countryman ein \"echter\" MINI ist. Wie sagte Hille so schön: \"das jeweils kompakteste und fahraktivste Angebot in jeder Klasse\"
Für uns als 4-köpfige Familie war der Clubman schon grenzwertig, aber was tut man nicht alles für seine Leidenschaft… Mit dem Countryman können viele, die dem Hatch oder Clubman entwachsen sind(warum auch immer), weiterhin das MINI-Feeling geniessen. Ich (und manch anderer vielleicht auch) sehe mich einfach nicht im Touran, A4 AVANT, C4 Picasso etc. Und dabei ist mir durchaus bewusst, dass der Countryman weniger Platz sowie Funktionalität als diese Family-Movers bietet UND weniger Fahrspass als ein JCW Hatch. Aber es ist ein angenehmer Kompromiss. Für mich stimmiger als die Alternative zwei Autos zu kaufen, finanzieren und zu unterhalten. Oder ganz auf MINI zu verzichten…
P.S.: mir kam die Lenkung eher angenehmer als im R55 vor, nicht so hypernervös und im Gegensatz zur manuellen Sperre ohne Lenkradzerren (wohl auch dank All4) Auch bzgl. Komfort kann ich trotz 18\" & SFW nur Positives berichten: bis auf sehr wellige C-Strassen kein Poltern, Auffahrten spürt man gar nicht mehr, wow! Und er ist wirklich angenehm leise.
Schöner Bericht Äxl :-). Habe dem auf jeden Fall nichts hinzuzufügen, du hast genau meine Eindrücke wiedergegeben.
Aber der Motorsound ist echt etwas schwach, hoffentlich macht der JCW Nachrüstpöff etwas mehr Krach.
@Axelander
Auch mit dir stimme ich 100%ig überein, auch sehr schön erläutert das die kleinen irgendwann vielleicht mal nicht mehr reichen. Am WE fahre ich trotzdem mal einen Clubbi probe, dann den Landmann ohne ALl4 und zwischen den beiden werde ich mich dann entscheiden. Tendenz geht aber zum Landmann.
Auch ein Danke für den Bericht von mir!
Noch eine Frage, da ich des öfteren Fahrräder zum Transportieren habe:
können die Rücksitze (bzw. Rücksitzbank) eigentlich ausgebaut werden wie beim Skoda Yeti/Touran?
puddingbrezel
@puddingbrezel: ausbauen schon, aber danach kriegst Du sie nicht mehr rein….
Die bessere Alternative : Heckträgervorbereitung (muss ab Werk bestellt werden, anschliessend geht nicht), funzt ohne Anhängerkupplung! Und dann den Träger aus dem Zubehör, der sich auch mit Beladung abklappen lässt, um die Heckklappe für den Kofferraum zugänglich zu machen. Beides zusammen macht ca. 600 euronen
Danke Alexander,
schade das das bei dem Countryman nicht möglich ist, die Bikes sind sehr teuer und können unmöglich \"ausserhalb\" wegen Diebstahlgefahr befestigt werden. Beim Yeti/Touran sitze raus und die Bikes einfach reinschieben und mit Gurt befestigen!
Jetzt gibt\’s da so viele \"Utilities\" für die Center-Rail aber an das wirklich praktische wurde nicht gedacht, dabei soll der Countryman (SAV) doch die lifestyle-sportliche Kundschaft ansprechen. Will aber keinen Touran fahren!!
puddingbrezel